Vertriebsmix im Hotel

Vertrieb kostet Geld! – Kein Vertrieb kostet Umsatz!

Vertriebsmix im Hotel

Stefan Nungesser/ Waltraud Rieser-Herrnhofer

Marketing und Vertrieb sind neben Controlling und Personal zu den wichtigsten Funktionen eines modernen Hotelbetriebs geworden. Durch kürzere Aufenthaltsdauern der Gäste sind Hoteliers gezwungen, mehr Gäste als früher zu gewinnen, um das Haus auszulasten. Vor dieser Herausforderung stehen auch die unmittelbaren Nachbarbetriebe, was die Konkurrenzsituation nicht einfacher macht. Neben den „klassischen“ Vertriebspartnern wie Reiseveranstaltern, Reisebüros oder Busunternehmen bietet das Internet viele neue Möglichkeiten, Gäste anzusprechen. Eines jedoch ist sicher: Hotelvertrieb kostet Geld! Ob wir heute Kommissionen an Buchungsportale (Online Travel Agencies = OTA) zahlen oder Busunternehmen und Reiseveranstaltern vergünstigte Raten anbieten. Das gilt auch für den eignen Vertrieb, also wenn wir Zimmer über die Homepage direkt an den Gast verkaufen, wird in der Regel eine Gebühr für das Buchungstool (Web Booking Engine = WBE) fällig. Was gerne vergessen wird: beim eignen Vertrieb kostet der zeitliche Aufwand, den ich als Inhaber/in oder meine Angestellten haben, um die Homepage und die Preise zu pflegen, sehr viel Geld. Dieser zeitliche Aufwand sind Vertriebskosten! Hinzu kommen Online-Marketing Maßnahmen (z.B. google adwords), um die Gäste erstmal auf die eigene Homepage zu bringen.

Daher stellt sich für viele Unternehmer die Frage, wie der Vertriebsmix im Hotel am besten zu organisieren ist? Für die meisten Betriebe gilt es, einen möglichst „optimalen“ Mix aus eigenen Vertriebsmaßnahmen und der Nutzung fremder Vertriebskanäle aufzubauen. Die Vorteile eines hoteleigenen Vertriebs liegen klar auf der Hand: keine Abhängigkeit von Fremdpartnern und am ersten Blick niedrige Kosten (sofern man die eigene Arbeitszeit nicht mitrechnet!). Die Nachteile sind beschränkter Aktionsradius sowie relativ hohe direkte Marktbearbeitungskosten durch Monats- oder Jahresgebühren bzw. Kommission an den Web Booking Engine-Anbieter, Kommissionen an Metasuchmaschinen wie trivago und nicht zuletzt das Marketing für die eigene aktuelle Webseite, die möglichst responsiv, also sich auf alle Endgeräten wie PC, Tablets oder Mobiltelefone anpasst und gut lesbar ist. Selbst diese Anstrengungen werden oftmals nicht ausreichen, um ausreichend Gäste zur direkten Buchung in unserem Hotel zu bringen.

Deshalb ist die Zusammenarbeit mit OTA’s ein nicht mehr wegzudenkendes Vertriebsmedium für alle Beherbergungsbetriebe. Durch die Partnerschaft erreichen wir neue Märkte und Zielgruppen. Die Vermieter steuern darüber Verfügbarkeiten, Raten und Kategorien. Das Ganze geschieht auf Knopfdruck und kurzfristig. Die Kommissionssätze der OTA’s sind zwischen 10% und 25% und damit ohne Zweifel hoch. Doch liegt der tatsächlich erzielte Vertragspreis, welche Beherbergungsbetriebe Reiseveranstaltern gewähren nicht oftmals darunter? Und ist der erzielte Ertrag mit dem Reiseveranstalter dann nicht oftmals geringer als der mit dem OTA?

Um eine Preisstruktur zu entwickeln sollte ein Hotelier wissen, wie die Vertriebsstruktur der Vermittlungspartner (Vertriebsmix im Hotel) aufgebaut ist und welchen Unterschied es in den einzelnen Raten, welche von den Mittlern gefordert werden, gibt. Hierüber fehlt es in der Praxis leider sehr oft an Wissen, was jedoch sehr wichtig ist, um fundierte, nachrechenbare Entscheidungen treffen zu können.

Nettoraten mit „fiktiven bzw. versteckten“ Kosten

Vertriebspartner wie (Online-) Reiseveranstalter schlagen ein Markup auf. Ein Markup ist die Differenz zwischen „Einkaufspreis beim Vermieter“ und dem „Verkaufspreis“, also ein Aufschlag bzw. eine Handelsspanne. Das Hotel erhält immer den Nettopreis. Bei vertraglich nicht gebundenen Markups kann es zu geringen Aufschlägen kommen und die Rate könnte günstiger als auf der hoteleigenen Webseite sein. Durch Vereinbarung eines „Netto-Vertrages“ sprechen wir von „versteckten“ Kosten. Das Hotel erhält vom Vertriebspartner immer den vereinbarten Netto-Verkaufspreis (inkl. MwSt). Die „fiktiven“ Kosten sind das Markup bzw. die Differenz vom Brutto-Verkaufspreis zum Netto-Verkaufspreis.

Bruttoraten und Kommissionen

Diese Raten sind kommissionsfähig. Der Vertriebspartner erhält für seine Tätigkeit eine Kommission. Der Gast zahlt direkt im Hotel, nach Abreise des Gastes erhält das Hotel eine Kommissionsrechnung oder der Gast zahlt beim Vertriebspartner und das Hotel erhält den Differenzbetrag abzüglich Kommission. Kommissionen werden immer vom Brutto-Vertragspreis (Verkaufspreis brutto inkl. MwSt.) berechnet. Bei OTA’s liegen die Kommissionen je nach Destination zwischen 10 und 17%. Bei Preferred Partnerschaften kann es zu einer Kommission bis zu 25% kommen.

Insbesondere im Online-Vertrieb gibt es darüber hinaus bei verschiedenen Partnern unterschiedliche Vertriebsmodelle, die es zu beachten gilt:

Offline/Retail Modell wie z.B. HRS, booking.com
Der Vertrieb erfolgt über den Bruttoverkaufspreis, das OTA erhält eine Kommission.

Merchant Modell wie z.B. Expedia, Lastminute
Der Vertrieb ist ähnlich wie der eines Großhändlers (auch Wholesaler genannt) aufgebaut. Das OTA verkauft eine Hotelübernachtung oder auch ein Package inkl. Nebenleistungen wie Flug entweder direkt an den Endkunden bzw. über einen Händler. Der Einkauf beim Hotel erfolgt in der Regel mittels einer Nettorate, auf welchen das OTA ein Markup von ca. 25% aufschlägt.

Opaque Modell wie z.B. Expedia, Travelocity
Der Hotelpreis ist in der Regel nicht ersichtlich, da der Verkauf über Packages erfolgt. Der Einkauf beim Hotel erfolgt in der Regel mittels Nettorate, auf welchen das OTA bis zu 50% Markup aufschlägt.

 

Um den Überblick zu bewahren, ist es deshalb notwendig, genau zu unterscheiden, mit welchem Vertriebsmodell (Vertriebsmix im Hotel) der Online-Vertriebspartner handelt und ob Brutto- oder Nettopreise herangezogen werden. Daher muss die Kalkulation stimmen und die „richtige“ Rate weitergegeben werden. Auch klassische Reiseveranstalter (= Tour Operator) wie TUI, die über eigene Reisebüros vermarkten oder andere Veranstalter, die über den sog. Direktvertrieb an Endkunden verkaufen wie Eurotours (Hofer, Tchibo) arbeiten schon immer mit Markups. Hinzu kommen die Wholesaler, die ebenfalls Reiseveranstalter sind und fertige Reisepakete an andere Reiseveranstalter verkaufen (Großhändlerfunktion). Diese Reisen können zu festen Terminen stattfinden oder auch auf Anfrage bestellt werden. Im Unterschied zu klassischen Reiseveranstaltern, die Reisen zu festen Terminen im Katalog über Reisebüros an Kunden verkaufen oder online anbieten, stellt der Wholesaler eine Reise zusammen, die entweder zu bestimmten Terminen stattfindet oder auf Anfrage an verschiedene Reiseveranstalter angeboten wird. Dadurch sind zusätzliche Händler dazwischengeschaltet und das Markup fällt höher aus.

Um die Wirkung der unterschiedlichen Modelle deutlich zu machen, hier ein praktisches Beispiel, was bei einem Zimmerverkaufspreis von EUR 150,00 übrig bleibt:

Vertriebsmix im Hotel
Durch das Beispiel wird deutlich, dass es je nach Vertriebsweg und -partner eine große Spanne an letztlichem Umsatz für das Hotel gibt, wenn angenommen wird, dass der letztliche Verkaufspreis über alle Kanäle EUR 150,00 beträgt. Der Umsatz variiert zwischen EUR 96,25 und EUR 150,00 und damit um bis zu 36%.

Hotelvertrieb ist heutzutage eine Kernaufgabe des Managements und wir konnten aufzeigen, dass es hierbei viele Aspekte zu beachten gilt, die den Unternehmer viel Geld und letztlich Umsatz kosten. Daher Augen auf und gut planen!

Die Autoren von Vertriebsmix im Hotel

Stefan Nungesser ist Diplom-Betriebswirt und seit Oktober 2011 Professor und Programmleiter für Hotelmanagement an der Fachhochschule Kärnten. Davor war er bereits lange Jahre als Berater für Hotellerie und Gastronomie tätig, kann aber auch auf Forschungserfahrung als wissenschaftlicher Mitarbeiter an der Hochschule München zurückgreifen, wo er sich mit Gesundheits- und Wellnesstourismus im Alpenraum beschäftigt hat. Die Ausbildung zum Restaurantfachmann sowie das anschließende Tourismusmanagement-Studium mit Schwerpunkt Hospitality Management bildeten die Grundlage für seine heutige Tätigkeit. Nungesser ist Experte für Hotel- und Gastronomiemanagement und beschäftigt sich u.a. mit Themen des Dienstleistungsmarketings sowie Serviceprozessmanagements.

Waltraud Rieser-Herrnhofer ist Gesellschafterin und Geschäftsführerin der HTS Hotel & Tourism Solutions GmbH mit Sitz in Wien. Neben der Strategiekonzeption in den Bereichen Sales & Marketing und Umsetzungsbegleitung liegt der Schwerpunkt von Rieser-Herrnhofer im Bereich Schulungen und Trainings on the job. Die Vertriebsexpertin verfügt über eine langjährige nationale und internationale Erfahrung in der Ferien- und Stadthotellerie. Seit 2012 ist sie regelmäßig Gastlektorin für Sales & E-Distribution im Studienzweig Hotelmanagement an der Fachhochschule Kärnten.

Stefan Nungesser - Fachhochschule Kärnten - Hotel & Tourism Solutions

Stefan Nungesser